In dieser Passionszeit wollten wir uns bei den Morgengebeten mit den Liedern Paul Gerhardts beschäftigen. Ich hatte mir gleich für die Woche vor Palmsonntag das Lied 11 aus unserem Gesangbuch „reserviert“ und möchte es nun gerne an dieser Stelle bedenken: Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?
Das Lied steht als Adventslied in unserem Gesangbuch, und ich wundere mich immer, dass es nicht eher das Wochenlied für Palmarum ist. Die 2. Strophe bezieht sich auf den bejubelten Einzug Jesu in Jerusalem und die folgenden Strophen sind ganz und gar geprägt vom Ton der Karwoche: Feinde, Spott und Schande, Leid und Schmerz, Plagen und Jammer. Auch der tiefe Sinn der Passion Jesu, den Sündern Trost und Heil zu bringen, wird in den letzten Strophen besungen.
Ja, es ist ein passendes Lied für den Start in die Karwoche und auch ein passendes Lied für diese so besonderen und beängstigenden Wochen.
Mehr als sonst sehnen wir uns danach, einander zu begegnen und uns herzlich zu begrüßen. Doch bei jeder Begegnung treten wir einen Schritt zurück, weichen einander aus, reden mit Abstand, oft nur per Telefon. Ein eminent wichtiges, aber total unnatürliches Verhalten.
Doch Jesus darf uns nahe kommen in dieser Zeit. Ihn sollen wir gerade jetzt an uns heranlassen. Er ist Schutz und Schild vor zu vielen Sorgen, vor Verzagtheit und Ungeduld. Er kommt an unsere Seite, er kommt zum Trost, wenn tatsächlich die Krankheit in unserem Familien- oder Freundeskreis zuschlägt; wer weiß, wie bald das sein wird. Jesus ist die Adresse für unsere Sorgen und unsere Not, er kommt, um uns beizustehen. Er hat es schon unzählige Male getan, er wird es wieder tun, wenn wir ihn brauchen, davon singt dieses Lied.
Noch ist nicht Jesu Leiden und seine Not das Thema. Davon singen wir in der Karwoche, die nach Palmarum kommt. Dann stellen wir uns an seine Seite, unter sein Kreuz. (…Ich will hier bei dir stehen … EG 85)
Als Jesus damals auf einem Esel in die Stadt Jerusalem einzog, wurde er voller Begeisterung und Hoffnung begrüßt: „Gelobt sei der da kommt, der König. Hosianna!“ Die Leute winkten mit Zweigen und Palmwedeln und brachten die Zweifler und Kritiker für diesen Moment zum Schweigen.
Mit seinen Liedern bringt Paul Gerhardt auch in mir den Kritiker und Zweifler zur Ruhe. Vertrauen und Zuversicht bekommen Platz.
So singe ich sein Lied (alle 10 Strophen) und wünsche mir, dass in diesen Tagen tatsächlich unsere Herzen grünen und ganz frische Triebe des Glaubens, der Zuversicht und der Liebe hervorbringen.
Ihre Pastorin Friederike Schwetasch
Wie soll ich dich empfangen?
Paul Gerhardt 1653
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.
Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin,
und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis
und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.
Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.
Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut.
Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt
als das geliebte Lieben, damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.
Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.
Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen, die ihm an euch bewusst.
Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern zu Trost und wahrem Heil,
schafft, dass bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.
Was fragt ihr nach dem Schreien der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen in einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König, dem wahrlich alle Feind
auf Erden viel zu wenig zum Widerstande seind.
Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.